Wildcampen ist für manche der Inbegriff von Abenteuer und Freiheit. In den Niederlanden können Camping-Freunde aber noch einen draufsetzen: Camping auf einem Floß. Tagsüber durch die holländischen Kanäle schippern und abends am Wunschort ankern. Wir haben das Abenteuer gewagt.
Ankunft
Es ist ein Samstagmittag Anfang Juni. Der Himmel ist bewölkt. Wir parken unser Auto an einem kleinen Yachthafen in Katwoude, zehn Kilometer nordöstlich von Amsterdam. Wir betreten den wackligen Holzsteg und sehen sie auch schon schwimmen: gut zehn Floße. Etwa drei auf fünf Meter groß. Das wird heute unser Schlafplatz. So richtig vorstellen können wir uns das noch nicht.

Apostolis Noutsis begrüßt uns herzlich. Er hat die niederländische Firma Flötten gegründet. Sein Gesicht ist wettergegerbt, man merkt, dass er gerne und viel draußen ist. Unter seiner Schirmmütze schauen ein paar graue Haare hervor. „Das ist euer Floß“, sagt er und zeigt auf eines der schwimmenden Holzkonstrukte.

„Das Zelt ist schon vorbereitet“, meint er und deutet auf das Floß. „Ach wirklich?“, denke ich für mich. Ich sehe nur einen länglichen dunkelgrünen Schlauch. „Da ist das Zelt eingewickelt, als Schutz vor dem Regen“, erklärt Apostolis. „Das Zelt ist ganz leicht aufgebaut.“ Ja, das sagt er jetzt. Ich kann es mir noch nicht so recht vorstellen.
Der Motor
Erstmal zeigt er uns, wie der Motor funktioniert. Denn das ist das Tolle an der ganzen Sache: wir müssen nicht mit Handkraft paddeln, sondern haben einen Außenbordmotor. Den Schalter umlegen, den Knopf ziehen, dann die Kordel… mir schwirrt der Kopf. Aber das wird schon. Kann ja nicht so schwer sein.

Das Material
Dann beladen wir das Floß. Von Flötten bekommen wir eine Metallkiste, in der ein Campingkocher samt Gas, zwei Campingstühle und zwei Pfannen sind. Dazu gibt es zwei Matratzen gestellt. Und ein Kanister Benzin für den Motor. Wir selbst haben noch Schlafsäcke sowie etwas zu Essen mitgebracht. Da es anfängt zu nieseln, breiten wir die Zeltplane über unseren Sachen aus, um diese vor Regen zu schützen. Und dann kann es auch schon losgehen!
Die Fahrt
Apostolis startet für uns den Motor. In den Rückwärtsgang schalten und schon legt das Floß langsam ab. Das Floß zu wenden ist die erste Herausforderung. So ein Außenbordmotor funktioniert anders als ein Lenkrad im Auto. Wenn ich vorwärts nach links fahren will, muss ich rechts lenken. Und rückwärts bedeutet das dann… schon wieder schwirrt mir der Kopf. Ich drehe eine kleine Ehrenrunde im Hafenbecken. Apostolis steht am Steg und schaut uns nach. Was er wohl von mir denkt?
Langsam komme ich etwas in Fahrt. Geradeaus ist es eigentlich ganz einfach. Es ist ein tolles Gefühl hinten am Floß zu sitzen, also am Heck, und von dort das Floß zu lenken.


Die erste Schleuse
Jetzt wird es spannend. Der Hafen liegt auf Meeresniveau. Wir wollen aber in die weitläufige Wasserlandschaft mit vielen Kanälen und Seen eintauchen. Die sind unter Meeresniveau. Also müssen wir zwei Schleusen passieren.

Die Ampel ist rot. Wir müssen vor der Schleuse „klingeln“, also eine Art Buzzer drücken. Das ist leichter gesagt als getan. Eine Bremse hat so ein Floß ja nicht. Deswegen Rückwärtsgang rein. Dann rechts, also nein, das ist ja links, und vorsichtig anfahren. Die Ampel springt um auf rot-grün, das bedeutet warten.
Bei einem Auto hätte ich jetzt einfach den Motor ausgemacht und das Auto wäre stehen geblieben. Das klappt bei einem Floß aber nicht. Im Wasser ist beständig eine Strömung. Wir treiben ab. Also wieder den Rückwärtsgang, etwas links – nein, rechts! Oder doch links?
Endlich ist das Schleusentor offen und wir fahren hinein. An den Wänden sind lange Taue an denen wir uns festhalten können und damit das Floß stillhalten.

Das Wasser ist abgelassen und wir können herausfahren. Eine zweite Schleuse passieren wir nach der gleichen Prozedur und dann sind wir im weitläufigen Kanalsystem vor den Toren Amsterdams.
Durch die Landschaft tuckern




Wir können nun anhand einer Karte die Gegend erkunden, wie wir wollen.
Über Seen tuckern.
Oder in kleine Kanäle hinein.
Wir ankern am Rand eines Kanals. Genau, wir ankern. Die Handbremse des kleinen Bootes ist ein kleiner Anker.

Pause auf dem Wasser
Außerdem muss der Tank aufgefüllt werden. Es fühlt sich komisch an, den Kanister einfach über den Motor zu halten und dann den Ausfluss zu öffnen, als würden wir Apfelsaft aus einem Kanister einschenken. Aber schnell gewöhnt man sich daran.
Ach ja, und ein anderer Tank müsste noch geleert werden. Die Blase. Dazu haben wir eine Trockentoilette an Bord. Die besteht im Wesentlichen aus einem leeren Eimer und einer Tüte Sägespäne.


Es kostet ein wenig Überwindung sich in aller Öffentlichkeit auf die rudimentäre Toilette zu setzen. Aber die einzigen wirklichen Zuschauer sind ein paar Kühe.

Dann fahren wir weiter. Wir durchqueren viele Kanäle und kommen an so manchem Dorf vorbei. Die Häuser dort haben alle wunderschöne Gärten mit Kanalzugang. Vor jedem Garten steht mindestens ein Boot. Immer wieder sehen wir Seerosen.
Unter sieben Brücken musst du fahrn…
Ein weiteres Hindernis sind Brücken. Diese sind teilweise sehr niedrig. Inzwischen habe ich es mir auf einem Campingstuhl bequem gemacht. Die erste Brücke kann ich darauf sitzend gerade noch unterqueren.




Bei dieser Brücke wird es schon deutlich enger.
Also runter vom Stuhl.
Kopf einziehen.
Puh. Hat gerade noch geklappt!
Das Zelt
Dann wird es Zeit, das Nachtlager aufzuschlagen. Der Wind hat aufgefrischt. So ankern wir an einer Kanalbiegung im Windschatten einer Baumgruppe. Anker setzen und dann das Zelt aufbauen.
Das ist tatsächlich leichter als gedacht. Die große Querstange zu zweit anheben, dann die seitlichen Balken einrasten lassen – und schon steht das Zelt. Jetzt noch die Zeltplane am Boden zusammenziehen und mit dem Klettverschluss verbinden. Am Rand die Türen mit Reißverschluss verschließen. Fertig!

Wir wärmen uns mit dem Kocher ganz einfach eine Dose Ravioli auf. Aber natürlich kann man hier auch etwas fürstlicher speisen, wie auf den Pressefotos zu sehen ist.

Wir genießen auch nicht den Sonnenuntergang, wie das Pärchen auf den Pressefotos. Denn der Himmel ist grau. Wir lesen ganz entspannt ein wenig im Zelt und legen uns dann schlafen.

Die Nacht
Die Nacht wird dann etwas ungemütlicher. Es regnet. Wir bleiben zwar trocken, aber die vielen unbekannten Geräusche sind doch ungewohnt. Das Prasseln des Regens auf der Zeltplane. Das Plätschern des Wassers, das gegen das Floß schlägt. Dann gluckert noch etwas. Ist das unser Benzinkanister?
Der Wind frischt auf. Ein Blick durch das Fenster in der Tür zeigt, wir sind von unserem windgeschützten Platz abgetrieben worden. Jetzt erfasst der Wind unser Zelt. Immer wieder wird das Floß deswegen durchgerüttelt. Es ist nicht dramatisch. Es besteht nicht einmal ansatzweise die Gefahr, dass wir kentern würden. Aber das Einschlafen fällt doch schwer.
Der Morgen und die Rückkehr
Irgendwann beruhigt sich alles und ein ruhiger Morgen beginnt. Auf den frisch gebrühten Kaffee verzichten wir. Die Wettervorhersage sieht nicht gut aus. Wir wollen rechtzeitig zurück sein, bevor das Wetter zu schlecht wird.

Das Zelt ist noch schneller abgebaut, als es aufgebaut ist. Der Motor startet direkt und inzwischen ist auch das mit links und rechts kein so großes Problem mehr. Wir fahren den Weg zurück, unter den Brücken durch, passieren die Schleusen und landen sicher am Yachthafen. Hier benötige ich dann doch nochmal drei Anläufe, um richtig am Steg anlanden zu können. Apostolis muss wirklich denken, dass ich die komplette Fahrt im Zickzack gefahren bin.
Apostolis lässt sich nichts anmerken. Er hilft uns beim Abladen und dann stellen wir gemeinsam das Zelt zum Trocknen wieder auf. Allerdings erstmal umsonst, denn jetzt öffnen sich die Schleusen im Himmel. Es gießt wie aus Eimern. Wir bringen uns in Sicherheit in unser trockenes Auto. Was für ein Abenteuer!

An drei Standorten in den Niederlanden können die Campingfloße gemietet werden. Weitere Informationen unter www.flotten.nl.