EuropaAben­teuer-Camping: Eine Nacht auf einem Floß

Fotos: Florian Ladenburger, Laura Bieber, www.flotten.nl

Wild­campen ist für manche der Inbe­griff von Aben­teuer und Frei­heit. In den Nieder­landen können Camping-Freunde aber noch einen drauf­setzen: Camping auf einem Floß. Tags­über durch die hollän­di­schen Kanäle schip­pern und abends am Wunschort ankern. Wir haben das Aben­teuer gewagt.

Ankunft

Es ist ein Sams­tag­mittag Anfang Juni. Der Himmel ist bewölkt. Wir parken unser Auto an einem kleinen Yacht­hafen in Katwoude, zehn Kilo­meter nord­öst­lich von Amsterdam. Wir betreten den wack­ligen Holz­steg und sehen sie auch schon schwimmen: gut zehn Floße. Etwa drei auf fünf Meter groß. Das wird heute unser Schlaf­platz. So richtig vorstellen können wir uns das noch nicht.

Apos­tolis Noutsis begrüßt uns herz­lich. Er hat die nieder­län­di­sche Firma Flötten gegründet. Sein Gesicht ist wetter­ge­gerbt, man merkt, dass er gerne und viel draußen ist. Unter seiner Schirm­mütze schauen ein paar graue Haare hervor. „Das ist euer Floß“, sagt er und zeigt auf eines der schwim­menden Holz­kon­strukte.

„Das Zelt ist schon vorbe­reitet“, meint er und deutet auf das Floß. „Ach wirk­lich?“, denke ich für mich. Ich sehe nur einen läng­li­chen dunkel­grünen Schlauch. „Da ist das Zelt einge­wi­ckelt, als Schutz vor dem Regen“, erklärt Apos­tolis. „Das Zelt ist ganz leicht aufge­baut.“ Ja, das sagt er jetzt. Ich kann es mir noch nicht so recht vorstellen.

Der Motor

Erstmal zeigt er uns, wie der Motor funk­tio­niert. Denn das ist das Tolle an der ganzen Sache: wir müssen nicht mit Hand­kraft paddeln, sondern haben einen Außen­bord­motor. Den Schalter umlegen, den Knopf ziehen, dann die Kordel… mir schwirrt der Kopf. Aber das wird schon. Kann ja nicht so schwer sein.

Das Mate­rial

Dann beladen wir das Floß. Von Flötten bekommen wir eine Metall­kiste, in der ein Camping­ko­cher samt Gas, zwei Camping­stühle und zwei Pfannen sind. Dazu gibt es zwei Matratzen gestellt. Und ein Kanister Benzin für den Motor. Wir selbst haben noch Schlaf­säcke sowie etwas zu Essen mitge­bracht. Da es anfängt zu nieseln, breiten wir die Zelt­plane über unseren Sachen aus, um diese vor Regen zu schützen. Und dann kann es auch schon losgehen!

Die Fahrt

Apos­tolis startet für uns den Motor. In den Rück­wärts­gang schalten und schon legt das Floß langsam ab. Das Floß zu wenden ist die erste Heraus­for­de­rung. So ein Außen­bord­motor funk­tio­niert anders als ein Lenkrad im Auto. Wenn ich vorwärts nach links fahren will, muss ich rechts lenken. Und rück­wärts bedeutet das dann… schon wieder schwirrt mir der Kopf. Ich drehe eine kleine Ehren­runde im Hafen­be­cken. Apos­tolis steht am Steg und schaut uns nach. Was er wohl von mir denkt?

Langsam komme ich etwas in Fahrt. Gera­deaus ist es eigent­lich ganz einfach. Es ist ein tolles Gefühl hinten am Floß zu sitzen, also am Heck, und von dort das Floß zu lenken.

Die erste Schleuse

Jetzt wird es span­nend. Der Hafen liegt auf Meeres­ni­veau. Wir wollen aber in die weit­läu­fige Wasser­land­schaft mit vielen Kanälen und Seen eintau­chen. Die sind unter Meeres­ni­veau. Also müssen wir zwei Schleusen passieren.

Die Ampel ist rot. Wir müssen vor der Schleuse „klin­geln“, also eine Art Buzzer drücken. Das ist leichter gesagt als getan. Eine Bremse hat so ein Floß ja nicht. Deswegen Rück­wärts­gang rein. Dann rechts, also nein, das ist ja links, und vorsichtig anfahren. Die Ampel springt um auf rot-grün, das bedeutet warten.

Bei einem Auto hätte ich jetzt einfach den Motor ausge­macht und das Auto wäre stehen geblieben. Das klappt bei einem Floß aber nicht. Im Wasser ist beständig eine Strö­mung. Wir treiben ab. Also wieder den Rück­wärts­gang, etwas links – nein, rechts! Oder doch links?

Endlich ist das Schleu­sentor offen und wir fahren hinein. An den Wänden sind lange Taue an denen wir uns fest­halten können und damit das Floß still­halten.

Das Wasser ist abge­lassen und wir können heraus­fahren. Eine zweite Schleuse passieren wir nach der glei­chen Prozedur und dann sind wir im weit­läu­figen Kanal­system vor den Toren Amster­dams.

Durch die Land­schaft tuckern

Pause auf dem Wasser

Außerdem muss der Tank aufge­füllt werden. Es fühlt sich komisch an, den Kanister einfach über den Motor zu halten und dann den Ausfluss zu öffnen, als würden wir Apfel­saft aus einem Kanister einschenken. Aber schnell gewöhnt man sich daran.

Ach ja, und ein anderer Tank müsste noch geleert werden. Die Blase. Dazu haben wir eine Trocken­toi­lette an Bord. Die besteht im Wesent­li­chen aus einem leeren Eimer und einer Tüte Säge­späne.

Es kostet ein wenig Über­win­dung sich in aller Öffent­lich­keit auf die rudi­men­täre Toilette zu setzen. Aber die einzigen wirk­li­chen Zuschauer sind ein paar Kühe.

Dann fahren wir weiter. Wir durch­queren viele Kanäle und kommen an so manchem Dorf vorbei. Die Häuser dort haben alle wunder­schöne Gärten mit Kanal­zu­gang. Vor jedem Garten steht mindes­tens ein Boot. Immer wieder sehen wir Seerosen.

Unter sieben Brücken musst du fahrn…

Ein weiteres Hindernis sind Brücken. Diese sind teil­weise sehr niedrig. Inzwi­schen habe ich es mir auf einem Camping­stuhl bequem gemacht. Die erste Brücke kann ich darauf sitzend gerade noch unter­queren.

Das Zelt

Dann wird es Zeit, das Nacht­lager aufzu­schlagen. Der Wind hat aufge­frischt. So ankern wir an einer Kanal­bie­gung im Wind­schatten einer Baum­gruppe. Anker setzen und dann das Zelt aufbauen.

Das ist tatsäch­lich leichter als gedacht. Die große Quer­stange zu zweit anheben, dann die seit­li­chen Balken einrasten lassen – und schon steht das Zelt. Jetzt noch die Zelt­plane am Boden zusam­men­ziehen und mit dem Klett­ver­schluss verbinden. Am Rand die Türen mit Reiß­ver­schluss verschließen. Fertig!

Wir wärmen uns mit dem Kocher ganz einfach eine Dose Ravioli auf. Aber natür­lich kann man hier auch etwas fürst­li­cher speisen, wie auf den Pres­se­fotos zu sehen ist.

Wir genießen auch nicht den Sonnen­un­ter­gang, wie das Pärchen auf den Pres­se­fotos. Denn der Himmel ist grau. Wir lesen ganz entspannt ein wenig im Zelt und legen uns dann schlafen.

Die Nacht

Die Nacht wird dann etwas unge­müt­li­cher. Es regnet. Wir bleiben zwar trocken, aber die vielen unbe­kannten Geräu­sche sind doch unge­wohnt. Das Pras­seln des Regens auf der Zelt­plane. Das Plät­schern des Wassers, das gegen das Floß schlägt. Dann gluckert noch etwas. Ist das unser Benzin­ka­nister?

Der Wind frischt auf. Ein Blick durch das Fenster in der Tür zeigt, wir sind von unserem wind­ge­schützten Platz abge­trieben worden. Jetzt erfasst der Wind unser Zelt. Immer wieder wird das Floß deswegen durch­ge­rüt­telt. Es ist nicht drama­tisch. Es besteht nicht einmal ansatz­weise die Gefahr, dass wir kentern würden. Aber das Einschlafen fällt doch schwer.

Der Morgen und die Rück­kehr

Irgend­wann beru­higt sich alles und ein ruhiger Morgen beginnt. Auf den frisch gebrühten Kaffee verzichten wir. Die Wetter­vor­her­sage sieht nicht gut aus. Wir wollen recht­zeitig zurück sein, bevor das Wetter zu schlecht wird.

Das Zelt ist noch schneller abge­baut, als es aufge­baut ist. Der Motor startet direkt und inzwi­schen ist auch das mit links und rechts kein so großes Problem mehr. Wir fahren den Weg zurück, unter den Brücken durch, passieren die Schleusen und landen sicher am Yacht­hafen. Hier benö­tige ich dann doch nochmal drei Anläufe, um richtig am Steg anlanden zu können. Apos­tolis muss wirk­lich denken, dass ich die komplette Fahrt im Zick­zack gefahren bin.

Apos­tolis lässt sich nichts anmerken. Er hilft uns beim Abladen und dann stellen wir gemeinsam das Zelt zum Trocknen wieder auf. Aller­dings erstmal umsonst, denn jetzt öffnen sich die Schleusen im Himmel. Es gießt wie aus Eimern. Wir bringen uns in Sicher­heit in unser trockenes Auto. Was für ein Aben­teuer!

An drei Stand­orten in den Nieder­landen können die Camping­floße gemietet werden. Weitere Infor­ma­tionen unter www.flotten.nl.


Gleich weitersagen!